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Der Cid

von Pierre Corneille, deutsch von Arthur Luther

Mit Jele Brückner, Thomas Büchel, Manuel Bürgin, Martina Eitner-Acheampong, Marcus Kiepe, Martin Rentzsch, Angelika Richter, Alexander Schmidt, Lena Schwarz

Inszenierung: Niklaus Helbling; Bühne: Dirk Thiele; Kostüme: Regine Standfuss; Musik: Jeroen Visser; Choreografie: Meret Hottinger, Salomon Nägeli; Dramaturgie: Klaus Mißbach

Premiere: 19. Januar 2002, Schauspielhaus Bochum, Kammerspiele

Fotos: Wilfried Böing

»Als artifizielles, fast schachbrettstrenges, dabei schnell und scharf choreographiertes Spiel organisiert die Regie die Szenen, deren disziplinierten Leidenschaften in rasante Aktionen überschießen, um immer wieder, nach kurzem Kontakt auf Trittbretter, die vor den Bühnengassen installiert sind und wie gelockerte Pausentasten Musik einspielen lassen, in eine kurze Phase der Entspannung zurückzufallen. Das Paar fliegt in einen tiefen Kuß zusammen, als seine tödliche Trennung nicht mehr vermeidbar scheint, Don Rodrigo fährt auf einem zimmerhohen, blutroten Rad herein, als er aus der siegreichen Schlacht gegen die Mauren zurückkehrt und sie Revue passieren läßt. Chimène wird zur Megäre, die Don Sancho an die Hose geht und ihn auf das zum Tisch gekippten Rad wuchtet, als es zunächst so scheint, als hätte er das Duell mit Rodrigo für sich entschieden. Große Heftigkeiten und Hysterien, Ekstasen und Erregungen flammen auf und fallen schnell wieder zusammen, ohne die Figuren ganz zur Ruhe zu bringen. Schlaflos in Sevilla. Wie in zu große Kostüme schlüpfen die Schauspieler in die Rollen, spielen in und auch mit ihnen, versuchen, sie auszufüllen, und bemerken, daß das nicht (mehr) möglich ist, staunen darüber und straucheln dabei, versteigen und verheddern sich. So sucht das kompakte, komische Spiel die Brüche zwischen Aktion und Kommentar, Direktheit und Reflexion und führt mit beiläufigem Witz die Frage mit, wie angemessen es noch ist, das Stück aufzuführen. Auch wenn kleine Längen und Manieriertheiten entstehen und bei manchen Figuren (…) Abstriche zu machen sind, Niklaus Helbling, der der neuen Übersetzung von Simon Werle die alte von Arthur Luther vorzieht, gelingt es, Der Cid in ein schwieriges und seltenes Paradox zu führen: Intensiv und genau gespielt, holt seine Inszenierung in den Kammerspielen das Stück nahe heran, ohne ihm seine Fremdheit zu nehmen und es platt zu aktualisieren. Ein dialektisches Kunststück, das vorführt, daß Corneille, auch ohne unser Zeitgenosse zu werden, zu faszinieren vermag.« Andreas Rossmann, FAZ, 21. Januar 2002

  • Beitrag veröffentlicht:19. Januar 2002