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Der Meister und Margarita

nach Michail Bulgakow

Mit Stefanie Dvorak, Daniel Jesch, Dietmar König, Roland Koch, Imre Lichtenberger-Bozoki, Paul Wolff-Plotteg, Christiane von Poelnitz/Mareike Sedl

Inszenierung: Niklaus Helbling; Bühne: Dirk Thiele; Kostüme: Judith Steinmann; Video: Elke Auer; Musik: Imre Lichtenberger-Bozoki; Dramaturgie: Sebastian Huber

Premiere: 12. Mai 2006, Burgtheater Wien, Kasino

Fotos: Georg Soulek

»Gegeben wird Der Meister und Margarita: Michail Bulgakows unter den Vorzeichen der Hoffnungslosigkeit in den 1930er-Jahren zu Ende geführtes Romanprojekt über die Verschmelzung zweier vollkommen unvereinbarer Instanzen. Den Machtpol hält das Monster der Absolutheit besetzt: Josef Stalin. Am entgegengesetzten Pol aber sitzt der Künstler, der nichts anderes ersehnt als die herzliche Umarmung durch die Autorität. (…) Im Burg-Kasino entscheidet sich der Schweizer Regisseur Niklaus Helbling für eine andere, radikaldemokratische Variante der Opferleistung eines Dichters an die totale Macht. Er überordnet das stark gekürzte Manuskript einer Horde kleinlauter Ordnungshüter im kostbar marmorierten Schulungszimmer. Vom freudlosen Alltag grau angestrichene Volkspolizisten, die Ausbildnerin Fuchs (Christiane von Poelnitz), Meier eins (Roland Koch) oder Holzer (Daniel Jesch) heißen. (…) Das streng gescheitelte Honighaar zum Paket gebündelt, mahnt die kernseifensaubere Frau Ausbildnerin vor den Schulbänken dienstliche Sorgfalt an: immer brav Beweismittel sammeln und nach den Instanzen fragen! Eine außerordentlich gewagte, eine geniale Introduktion. Denn ab nun müssen Major Helblings schutzbefohlene Zöllner den verzwickten Fall des Magiers Voland aus eigenen Lehrmitteln nachstellen (Ausstattung: Dirk Thiele). (…) Im Ministerium für literarische Früherkennung werden die Umrisse einer entgleisenden Lebenswelt in ein kaum salonzimmergroßes Geviert eingekratzt. Ein rollbarer Garderobenständer ersetzt die Straßenbahn. Eine Schulbank dient als psychiatrische Notaufnahme. Ein Kasten eignet sich als hohes Ross für einen sozialistischen Varieté-Direktor in schmutzigen Unterhosen (Paul Wolff-Plotegg). (…) Die Schädelstätte von Golgatha wird mit verschmierten Puppen behängt. Der gesamte Fundus des Ministeriums für Instanzenerkennung wird für weltliterarische Zwecke kolossal zweckentfremdet. Und über aller Spiellust (…) schält sich ein Zweck heraus, der alle Illusionsmittel heiligt: die Proklamation von Michail Bulgakows posthumem Sieg. Denn die Damen und Herren Beamten sind, ohne es zu merken, Agenten des Geistes geworden. Sie haben auf ihre angestammte Behördenwillkür vergessen – und damit der Burg eine prächtige Produktion geschenkt.« Ronald Pohl, Der Standard, 15. Mai 2006

  • Beitrag veröffentlicht:12. Mai 2006