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King Placebo

oder die Reise ins Pharmaland

von Brigitte Helbling und Niklaus Helbling

Mit Johanna Bantzer, Martin Gantenbein, Fabienne Hadorn, Albrecht Hirche, Martin Hug, Katherina Lange, Vincent Leitersdorff, Markus Schönholzer

Inszenierung: Niklaus Helbling; Bühne: Dirk Thiele; Kostüme: Kathrin Krumbein; Musik: Martin Gantenbein, Markus Schönholzer, Dramaturgie: Andrea Schwieter

Premiere: 6. Januar 2005, Theater Basel, Kleines Haus

Fotos: Sebastian Hoppe

»Eigentlich erstaunlich: 70 000 Arbeitsplätze in Basel hängen direkt oder indirekt von der hier ansässigen pharmazeutischen Industrie ab, aber noch nie in den letzten vier Jahren hat sich das städtische Theater mit diesem die Stadt so deutlich prägenden Phänomen explizit auseinandergesetzt. Mangelnder Mut? Kluge Scheu? Umso gespannter war mn jedenfalls auf die Uraufführung von King Placebo oder Die Reise ins Pharmaland des Autorenpaares Brigitte und Niklaus Helbling. (…) In King Placebo ist der Schlafsaal Schweiz bevölkert mit sechs von Schlaflosigkeit geplagten Medikamenten-Junkies. (…) Am hellen Tag aber trifft man sich bei Therapeut Pirmin (Albrecht Hirche) zur Gruppensitzung. Die Therapie-Persiflage wird zum schauspielerischen Highlight des Abends. Wunderbar widerlich, wie Hirche diese andere Form der Ausbeutung von Abhängigkeit zelebriert – wohldosiert, schleimig, brutal. Der Therapeut Pirmin lässt an Shakespeares Puck denken. Er verabreicht seinen Patienten den Zaubertrank, der sie auf die «andere Seite des Spiegels» bringt, ins Pharmaland eben. Hier herrscht King Placebo (Urs Jucker) mit seinem barocken Hofstaat – ein Fest auch für die Kostümbildnerin Kathrin Krumbein, die in schönen Stoffen und Kostümen mit leicht absurden Schnitten schwelgt. In Opernmanier präsentiert der Architekt das Modell für den gigantischen Zukunftstempel. Das absolutistische Hofgehabe will die Welt der Pharmakonzerne spiegeln. (…) Vor allem aber: Wie wär’s, der Königin von Saba (Fabienne Hadorn) Avancen zu machen, die führend ist in schamanistischen Verfahren und deren Pipeline voller vielversprechender Produkte sein soll? Umso mehr als die Gen-Daten von Nepal und Bangladesh als Mitgift locken! Dass alles anders kommt, liegt wieder an einem shakespearehaften Trick, einem Spiel im Spiel à la Hamlets Mausefalle: dem tödlichen Märchen von der Messingstadt aus Tausendundeiner Nacht, präsentiert von Pirmins Patientengruppe. (…) Aber eigentlich wird nur bebildert, was jeder schon weiß, und zwar mehr witzelnd als bissig. Dies aber durchaus gekonnt. Die Mischung aus barocker und rockiger Live- Musik (hervorragend: Martin Gantenbein, Markus Schönholzer), aus skurriler Choreografie (Salome Schneebeli), aus schauspielerischer Phantasie und Spiellust ergibt einen vergnüglichen bunten Abend, der niemandem wehtut: Nebenwirkungen sind nicht zu befürchten.« Alfred Schlienger, Neue Zürcher Zeitung, 8./9. Januar 2005

  • Beitrag veröffentlicht:6. Januar 2005